Nach einem erfüllten Leben verstarb am 23. Dezember 2024 der frühere Oberkreisdirektor des Kreises Borken, Raimund Pingel, im Alter von 89 Jahren. Landrat Dr. Kai Zwicker zeigt sich sehr betroffen von dessen Tod, zumal er auch in jüngster Zeit noch in engem Kontakt mit ihm gestanden hat: „Ich habe ein großes Vorbild verloren“, erklärt der Landrat. Gleichzeitig sei ihm Raimund Pingel als „unermüdlicher Streiter für die Interessen des Westmünsterlandes“ ein sehr geschätzter Ratgeber gewesen. Dr. Zwicker: „Mit Raimund Pingel verliert der Kreis eine Persönlichkeit, die sich mit beispielgebender Tatkraft und Weitsicht außerordentlich erfolgreich für die Entwicklung unserer Region eingesetzt hat.“ Das langjährige beeindruckende Wirken des gebürtigen Hageners, der Anfang der 1970er Jahre ins Westmünsterland kam, ist nachfolgend nachgezeichnet:
Nach dem Abitur 1955 studierte Raimund Pingel Rechtswissenschaften in Freiburg und Münster. Zudem besuchte er die Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Nach der zweiten Staatsprüfung arbeitete er zunächst als wissenschaftlicher Assistent an der juristischen Fakultät der Universität Münster. 1967 trat er als Regierungsassessor in den Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen und war im Regierungspräsidium Münster im Schuldezernat sowie in der Kommunalaufsicht tätig. Ein knappes Jahr wurde er 1968 zur Kreisverwaltung Lüdinghausen abgeordnet. Von Januar 1969 bis März 1970 nahm Raimund Pingel auf Vorschlag des nordrhein-westfälischen Innenministers am Fortbildungslehrgang der Bundesregierung für Verwaltungsführung und internationale Aufgaben, einer Sonderausbildung für Spitzenkräfte aus der Verwaltung auf Bundes- und Landesebene, teil. Im Anschluss daran berief ihn der Ministerpräsident nach Düsseldorf in den Planungsstab der Staatskanzlei. Nach mehrmonatiger Tätigkeit im Kommunaldezernat der Bezirksregierung Münster wurde er Ende 1970 wissenschaftlicher Berater der CDU-Landtagsfraktion vor allem für Kommunalpolitik, kommunale Finanzen, Verwaltungs- und Gebietsreform sowie Landesplanung.
1972 wählte ihn der Borkener Kreistag zum Oberkreisdirektor des damaligen Landkreises Borken. Das Amt trat er am 1. August 1972 an, zu einer Zeit, als in Nordrhein-Westfalen die kommunale Neugliederung der Kreise in die entscheidende Phase kam. Mit viel Herzblut widmete sich Raimund Pingel seiner neuen Aufgabe zunächst im alten, ab 1975 dann im neu gebildeten Kreis Borken. Das Verbleiben des Raumes Bocholt im Münsterland und die Zusammenfassung mit dem Kreis Borken hat er wesentlich mitbeeinflusst. Dass sich der Kreis nach den „heftigen Geburtswehen“ schon bald als Einheit präsentieren konnte, war gerade auch sein Verdienst.
Raimund Pingels besonderes Augenmerk galt der Verbesserung der wirtschaftlichen Strukturen im Kreisgebiet. War der Kreis Borken zu Beginn seiner Amtszeit vor allem durch Landwirtschaft und Textilindustrie geprägt, gelang es im Laufe der Jahre, die wirtschaftliche Basis deutlich zu verbreitern. Dazu gehörte auch die Verbesserung der Infrastruktur, die sich sinnbildlich im Bau der Autobahn A 31 zeigte. Dass der Kreis Borken heute zu den Regionen mit sehr niedriger Arbeitslosenquote in Nordrhein-Westfalen gehört und über leistungsstarke mittelständische Betriebe verfügt, geht mit auf sein Wirken zurück.
In den über 27 Jahren seiner Tätigkeit als Oberkreisdirektor hatte Raimund Pingel auch stets die Verbesserung der so genannten weichen Standortfaktoren im Blick. Bedeutende Einrichtungen – so die Erholungsanlage Pröbsting, die Landesmusikakademie in Heek-Nienborg, das Künstlerdorf Schöppingen, das Hamaland-Museum Vreden/Kreismuseum Borken mit dem Landeskundlichen Institut Westmünsterland (daraus entstand später das heutige „kult Westmünsterland“), die Fachhochschule in Bocholt sowie die Berufsbildungsstätte Westmünsterland in Ahaus – konnten in seiner Amtszeit geschaffen werden.
Raimund Pingel legte großen Wert auf übergreifende Zusammenarbeit mit den Kommunen, Institutionen und Verbänden innerhalb des Kreisgebietes, aber auch weit darüber hinaus. So war er seit 1987 Sprecher der Oberkreisdirektoren im Regierungsbezirk Münster und vier Jahre lang – bis zu seinem Ruhestand – auch im gesamten Land Nordrhein-Westfalen. Zudem gehörte er vielen Gremien an. Dabei wirkte er u. a. als Vorsitzender des Finanzausschusses des Landkreistages Nordrhein-Westfalen und der Euregio-Arbeitsgruppe, überdies als Mitglied der Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe sowie als stellvertretender Vorsitzender des Straßen- und Hochbau-Ausschusses.
Sein vorbildlicher Einsatz für das Allgemeinwohl hat ganz besondere öffentliche Anerkennung gefunden. So wurde Raimund Pingel 2001 mit dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland und 2013 mit dem Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet. Zudem erhielt er den Ehrenring des Kreises Borken sowie die Ehrenplakette der Handwerkskammer Münster. Die niederländische Königin Beatrix ernannte ihn angesichts der großen Verdienste um die deutsch-niederländische Zusammenarbeit zum Offizier des Ordens von Oranien-Nassau. Überdies erhielt er den „Mozerpreis“ der Provinz Gelderland.
„Zur Ruhe“ kam Raimund Pingel nach seinem Eintritt in den Ruhestand im Jahre 1999 natürlich nicht. Mit dem ihm eigenen, beispielgebenden Engagement setzte er sich weiterhin uneigennützig auf vielfältige Weise für die Menschen der Region und darüber hinaus ein; insbesondere im Verein Westfalen-Initiative e.V., im DRK-Kreisverband Borken e.V., in der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Landesmusikakademie NRW e.V., im Trägerverein Tiergarten Schloss Raesfeld e.V., im Kulturkreis Schloss Raesfeld e.V., in der Bundesgemeinschaft für Deutsch-Niederländische Kulturarbeit und im Verwaltungsrat des Westfälischen Heimatbundes.
Tief verwurzelt im christlichen Glauben kennzeichneten ihn hohes Pflichtbewusstsein, außergewöhnliche Sachkenntnis, Innovationsfreude und Zielstrebigkeit in seiner langen Amtszeit genauso wie Zugewandtheit, Optimismus und Humor.
Landrat Dr. Kai Zwicker: „Kreistag, Kreisverwaltung und die Bürgerinnen und Bürger des Kreises Borken sind Raimund Pingel sehr dankbar für sein Wirken zum Wohle des Westmünsterlandes. Wir werden sein Andenken in hohen Ehren halten.“