Vor 100 Jahren, am 23. Oktober 1923, gab der Kreis Borken einen Geldschein mit einem Nennwert von Einhundert Milliarden Mark heraus. Das ist eine Zahl mit elf Nullen. Schon das macht deutlich, was der aus dem Lateinischen entlehnte Begriff „Inflation“ bedeutet, nämlich Aufblähung. Damit verbinden sich zwei Fragen: Erstens stellt sich die Frage, weshalb es damals zu einer solchen Inflation kam, und zweitens fragt es sich, wie der Kreis Borken dazu kam, Geldscheine auszugeben, schließlich ist das eine Aufgabe des Staates.
„Kriegsanleihen“ zur Finanzierung des Ersten Weltkriegs
Zur Beantwortung der ersten Frage ist es notwendig, ein weiteres Jahrzehnt zurückzublicken. Als 1914 der Erste Weltkrieg begann, erforderten die Generalmobilmachung aller Streitkräfte und ihre laufende Ausrüstung und Versorgung enorme Summen. Sie stiegen mit jedem Tag, den der Krieg andauerte, weiter ins Unermessliche. Finanziert wurde das durch sogenannte „Kriegsanleihen“. Das waren gewissermaßen Staatsanleihen, also Schuldscheine des Deutschen Reiches, die an die Bevölkerung verkauft wurden. Nach dem erwarteten siegreichen Kriegsende wollte das Reich sich diese Kosten von den unterlegenen Kriegsgegnern durch Reparationen erstatten lassen und davon die Kriegsanleihe zurückzahlen. „Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt“, sagt der Volksmund.
Reparationen an Siegermächte
Denn erstens wurde durch die alliierte Seeblockade die Versorgungslage in Deutschland mit anhaltender Kriegsdauer immer schlechter und infolge der Angebotsverknappung verlor die Mark daher schon während der Krieges an Kaufkraft. Und zweitens war Deutschland, als der Krieg 1918 schließlich endete, nicht Sieger, sondern Besiegter. Damit brach nicht nur sein Konzept zur Kriegsfinanzierung vollends zusammen, vielmehr wurde Deutschland durch den Versailler Vertrag selbst zu Reparationen an die Siegermächte verurteilt.
Viele kostenintensive Aufgaben
Mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zur Wiedereingliederung der heimkehrenden Soldaten, der neu eingeführten Kriegsopferfürsorge und der Finanzierung des passiven Widerstandes gegen die alliierte Besetzung des Ruhrgebiets hatte die junge Republik gleichzeitig weitere kostenintensive Aufgaben zu bewältigen. Dazu erhöhte der Staat ab 1919 die Geldmenge immer weiter, ohne dass das noch durch Goldreserven oder Güter gedeckt gewesen wäre. Das führte zu einer Preisexplosion, die die Reichsbank zwang, immer höhere Banknotenscheine auszugeben. Schließlich kamen die Reichsbank bzw. die Reichsdruckerei mit dem Druck immer neuer Geldscheine nicht mehr nach.
Druck von Ersatzwertzeichen
Damit schlug nun – und das beantwortet die zweite Frage – die Stunde zusätzlicher Emittenten. Noch vor Kriegsende hatten die Kommunalverbände, Handelskammern und Industriebetriebe die Erlaubnis erhalten, unter bestimmten Bedingungen Ersatzwertzeichen auszugeben. Unter den Bedingungen der galoppierende Inflation 1922/23 war es aber oft nicht mehr möglich, den Dienstweg einzuhalten. Teilweise beantragten Städte und Kreise zwar die Genehmigung bei der Bezirksregierung, begannen aber gleichzeitig schon mit dem Druck von Notgeld. Nur so konnte man mit dem Wertverlust halbwegs Schritt halten.
Inflation endet mit Einführung der Rentenmark
In dieser Hyperinflation gab der (Alt-) Kreis Borken am 23. Oktober 1923 den Notgeldschein über 100 Milliarden Mark heraus. Der damalige Kreis Ahaus folgte am 5. November und überbot die Borkener gleichzeitig mit der Herausgabe eines Notgeldscheins mit einem Nennwert von 500 Milliarden Mark. Doch der erste Platz geht an die Stadt Bocholt. Sie hatte noch vor dem Kreis Borken bereits am 20. Oktober einen Geldschein über 1 Billion Mark, also 1000 Milliarden Mark, ausgegeben und damit auch den Kreis Ahaus überboten. Vier Wochen später setzte die Einführung der Rentenmark am 15. November 1923 der Inflation und dem Notgeld schließlich ein Ende.
Aufsatz zum Thema im „Jahrbuch des Kreises Borken 2023“
Wer mehr zum Thema Notgeld wissen möchte, sei hingewiesen auf den Aufsatz von Michael Kleiner im „Jahrbuch des Kreises Borken 2023“. Dieses Buch ist zum Preis von 7,50 Euro im Buchhandel, im kult Westmünsterland (Kirchplatz 14) in Vreden und an der Information des Borkener Kreishauses (Burloer Straße 93) erhältlich. Es kann zudem im kult Westmünsterland in Vreden, bei der Kulturabteilung des Kreises Borken unter der Telefonnummer 02861/681-4282 oder per E-Mail an a.boeing@kreis-borken.de (zzgl. Versandkosten) bestellt werden. Die ISBN-Nummer lautet 13:978-3-937 432-70-0.