Die EUREGIO, der Kreis Borken, die Gemeinde Oost-Gelre und die Gemeinde Enschede haben ein neues Interreg-Projekt zur Bekämpfung der Ausbeutung von Arbeitsmigranten in der Grenzregion gestartet. Dies gaben die Projektpartner während einer gemeinsamen Pressekonferenz am Mittwoch, 30. August 2023, in Enschede bekannt. In den letzten Jahren haben Leiharbeitsfirmen immer mehr Arbeitsmigranten, insbesondere aus Südosteuropa, angeworben, um beispielsweise in der Fleischindustrie oder der Logistik zu arbeiten. Kontrolle und Ahndung schlechter Wohnbedingungen und überhöhte Mietpreise gestalten sich besonders schwierig, wenn Wohnort und Arbeitsplatz sich auf unterschiedlichen Seiten der Grenze befinden. Die Partner arbeiten nun zusammen, um eine Veränderung herbeizuführen.
Viele Arbeitsmigranten, wenig Wohnungen
Die Anzahl der Arbeitsmigranten in der Grenzregion hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Aufgrund des Fachkräftemangels auf dem Arbeitsmarkt ist der Bedarf an Arbeitskräften groß. Gleichzeitig ist es angesichts der engen Lage auf dem Wohnungsmarkt schwierig, angemessene Unterkünfte für neue Mitarbeiter zu finden. Es besteht also eine große Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage bei Personal und Unterkünften, auf die Leiharbeitsfirmen reagiert haben, indem sie die Anwerbung von Personal und die Unterbringung von Arbeitsmigranten vollständig übernehmen.
System ist anfällig für Missbrauch
Leider ist dieses System anfällig für Missbrauch, da Arbeitsmigranten während ihres Aufenthalts stark von diesen Leiharbeitsfirmen abhängig sind. Es kommt vor, dass Leiharbeitsunternehmen Löhne einbehalten, die Sozialversicherung nicht gewährleisten, überhöhte Mieten für Wohnungen mit mangelnder Hygiene und ohne Stromversorgung verlangen oder sogar Hunderte von Euro pro Monat für eine Matratze fordern.
Bedenkliche Nebenwirkungen des Systems
Eine unhaltbare Situation, findet auch der Bürgermeister von Enschede, Roelof Bleker: „Arbeitsmigranten sind für unsere Wirtschaft unverzichtbar. Die Anwerbung und Unterbringung von Arbeitsmigranten durch Leiharbeitsunternehmen ist einer der Wege, wie wir mit dem Fachkräftemangel auf dem Arbeitsmarkt und dem Wohnungsmarkt umgehen. Wir sehen jedoch bereits seit Jahren bedenkliche Nebenwirkungen dieses Systems. Einige böswillige Leiharbeitsunternehmen nutzen absichtlich die schwache Position von Arbeitsmigranten aus. In den Niederlanden und in Deutschland ist kein Platz für diese Ausbeutung. Daher sehen wir es als unsere Verantwortung, als lokale Behörden in unser eigenen Rolle Maßnahmen dagegen zu ergreifen.“
Missbrauch der Grenzlage
Entlang der Grenze entstehen regelmäßig besondere Situationen, bei denen Arbeitsmigranten bei niederländischen Unternehmen angestellt werden, um dann jenseits der Grenze in Deutschland untergebracht zu werden. Dies erschwert es den Behörden, die für Kontrolle und Aufsicht zuständig sind, vor diesem Hintergrund Ausbeutung in den Griff zu bekommen.
Ausbeutung ist schwierig zu beweisen
Nicht nur ist es schwierig zu beweisen, wann genau von Ausbeutung die Rede ist, auch die starke Zersplitterung der Zuständigkeiten verschiedener Behörden im Bereich Aufsicht und Kontrolle macht es schwierig, Verstöße zu ahnden. Die niederländische und deutsche Vorgehensweise unterscheidet sich voneinander, aber auch die Staatsorganisation auf beiden Seiten der Grenze ist so unterschiedlich, dass niederländische und deutsche Behörden oft kein Pendant auf der anderen Seite haben. Ein kompliziertes Puzzle, für das es keine Vorschriften gibt.
Nationale Maßnahmen reichen nicht aus
Die Bürgermeisterin von Oost Gelre, Annette Bronsvoort, sagt: „Wir müssen verhindern, dass wir getrennt voneinander versuchen, dasselbe Problem zu lösen. Dazu brauchen wir nicht auf Gesetzesänderungen oder ein politisches Signal der nationalen Politik zu warten. Als lokale Behörden können wir jetzt einen eigenen Beitrag leisten. Außerdem sind die Probleme in Grenzgemeinden in vielerlei Hinsicht einzigartig. Nationale Maßnahmen reichen also nicht aus. Wir müssen eine kluge praktische Lösung für das grenzüberschreitende Ausbeutungssystem entwickeln.“
Praktische Maßnahmen
Um die Zusammenarbeit zwischen den niederländischen und deutschen Kontrollbehörden zu verbessern, starten die EUREGIO, der Kreis Borken, die Gemeinde Enschede und die Gemeinde Oost Gelre ein Interreg-Projekt. Während einer Laufzeit von zwei Jahren soll das Projekt die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen niederländischen und deutschen Behörden stärken und vereinfachen.
Grenzüberschreitende Kontrollen gibt es schon länger
Ordnungsdezernentin des Kreises Borken, Dr. Elisabeth Schwenzow, sagt: „Wir erfinden hier das Rad nicht neu. Grenzüberschreitende Kontrollen in der Grenzregion gibt es schon länger. Wir stellen jedoch fest, dass diese einen hohen Personalaufwand erfordern und schwer zu organisieren sind. Außerdem kommen auf uns allerlei neue Maßnahmen in den Niederlanden und Nordrhein-Westfalen zu. Hier müssen wir uns gegenseitig gut informieren. Mit diesem Projekt wollen wir vor allem praktisch prüfen, was machbar ist, wie zum Beispiel kleinere Kontrollen, kürzere Kommunikationswege und eine bessere Abstimmung zwischen den beteiligten Behörden. Deshalb organisieren wir runde Tischgespräche mit unter anderen niederländischen und deutschen Gemeinden, dem Kreis Borken, der Arbeitsinspektion, der Polizei, dem RIEC-Ost-Niederlande und dem Arbeitsschutz.“ Ein pragmatischer Ansatz also, mit dem die Projektpartner den Missbrauch der Grenze als Instrument für Ausbeutung beenden wollen.
Zusammenarbeit im Bereich Sicherheit von großer Bedeutung
Der stellvertretende Geschäftsführer der EUREGIO, Dinand de Jong, fügt hinzu: „Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Bereich Sicherheit ist von großer Bedeutung. Dabei ist eine solide Zusammenarbeit zwischen niederländischen und deutschen Behörden auf verschiedenen Verwaltungsebenen nicht immer einfach. Die Unterschiede in den Zuständigkeiten und Befugnissen der niederländischen und deutschen Behörden sind nun einmal groß. Gleichzeitig können wir es uns nicht leisten, getrennt voneinander zu handeln. Daher müssen wir diese Unterschiede überbrücken und eine praktische Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Behörden aufbauen. Dass wir dieses Projekt jetzt gemeinsam auf den Weg gebracht haben, ist ein sehr guter Schritt.“
Über das Euregionale Netzwerk Arbeitsmigranten: Das Projekt „Euregionales Netzwerk Arbeitsmigranten“ ist bis zum 1. Juli 2025 Teil des Interreg-VI-Programms Deutschland-Niederlande und wird von der Europäischen Union, der Provinz Overijssel, der Provinz Gelderland, dem Kreis Borken, der Gemeinde Oost Gelre, der Gemeinde Enschede und dem Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Klimaschutz und Energie (MWIKE) von Nordrhein-Westfalen unterstützt.